Schwache GRÜNE antworten auf offenen Brief

Leider schon fast ein gewohntes Bild: Stau in erster Osterstraßenbaustelle
Leider schon fast ein gewohntes Bild: Stau in erster Osterstraßenbaustelle

Die GRÜNEN haben am 19. Oktober geantwortet: *

(*Fragestellung gibt’s hier:)

Lieber Kai Ammer,

vielen Dank für deinen Brief. Offensichtlich teilst du – zumindest verkehrspolitisch – unsere Grünen Ziele und unsere Programmatik. Wir haben sie in unserem Wahlprogramm, Bürgerschaftsreden und Anträgen in der Bezirksversammlung ganz ähnlich formuliert.
Aber wie du es richtig benannt hast, haben wir mit einer Flächenkonkurrenz zu kämpfen. Wir Grünen sind nicht die einzigen, die Verkehrspolitik in dieser Stadt bestimmen, vielmehr findet sich in Wahlergebnissen und Medien immer wieder eine überwältigende Mehrheit für die alte autogerechte Stadt. Mit den vielen Stimmen, die zu diesem Umbau der Osterstraße ernsthaft fragen „warum geht schick nur ohne Autos?“, musst du dich offensichtlich nicht auseinandersetzen, wir aber schon.

Wir wünschen uns die selben Dinge wie Du, aber wir müssen uns mit Leuten einigen, die überhaupt nichts davon halten, Eimsbüttel zu einem „Experimentierfeld“ zu erklären. Wir haben über zehn Jahre lang über verschiedene Möglichkeiten für die Osterstraße – Bussiness-Improvement-District, Sperrungen, Einbahnstraßen, Diagonalsperren und Tempolimits – diskutiert. Du weißt, dass der Grüne Favorit eine Shared-Space Strecke war. Wir konnten sie am Ende nicht durchsetzen.

Aber auch mit der jetzt verwirklichten Planung gebieten wir dem Flächenverbrauch des Kfz-Verkehrs Einhalt, genau wie du es gefordert hast. Über 100 Kfz-Parkplätze sind weggefallen und Radfahren Fußgänger haben mehr Raum erhalten. Auch der ÖPNV wird mit den neuen Haltestellen am Fahrbahnrand flüssiger laufen.

Du misst Deine Erwartungen daran, „daran, was möglich wäre“. Davon ausgehend musst Du alles, was verwirklicht wird, für eine Verschlechterung halten. Wir messen die Veränderung daran, wie es vorher war. Dass dabei Verbesserungen für Rad- und Fußverkehr zustande gekommen sind, ist wohl kaum zu bestreiten.

In diesem Sinne werden wir weiter kämpfen, für eine sichere Fahrradstraße im Harvestehuder Weg, den Radfahrstreifen auf der Grindelallee und mehr Tempo 30. Wir würden uns freuen, wenn du uns in diesem Kampf unterstützt.

Beste Grüße
Fabian Klabunde,
verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Bezirksfraktion Eimsbüttel

Dazu stellt „Osterstraße autofrei!“ fest:
von Kai Ammer

Die GRÜNEN machen den Eindruck, als ob sie, was die Verkehrspolitik in dieser Stadt betrifft, längst resigniert haben. 10 Jahre Kampf für Shared Space, dem selbst Experten skeptisch gegenüber stehen, scheinen nicht nur die Eimsbütteler GRÜNEN zermürbt zu haben. Das zeigt sich vor allem auch daran, dass nur wenig einfällt, um den Kern von Eimsbüttel wirklich nachhaltig vom Verkehr zu befreien. Auch wenn kürzlich Vorschläge für weitere Tempo 30 Straßen erneut bekräftigt wurden und wenn zusammen mit der SPD Eimsbüttel beschlossen wurde, Experten zum Thema zu noch stattfindenden Bezirksversammlungen einzuladen, entspricht dies nicht dem Engagement, welches ich von einer Partei wie den GRÜNEN erwarten würde.

Es ist billig, darauf zu verweisen, welche „überwältigenden Mehrheiten“ keinerlei Verständnis für Änderungen  der städtischen Mobilität hätten. Anstrengend wird es dagegen, diese Leute zu überzeugen. Nur dafür müssten die Grünen selbst erst einmal überzeugen. Abgesehen davon – gibt es nicht auch eine immer größer werdende Menge an Menschen, die kein Auto haben, nicht nur, weil sie es sich nicht leisten können, sowieso noch nie eines haben wollten oder es sogar wieder bewusst angeschafft haben, um z.B. auf Rad und ÖPNV umzusteigen? So haben in Hamburg von 1000 EinwohnerInnen „nur“ noch 402 ein eigenes Auto, Tendenz sinkend. Schade, dass hier nicht Potential entdeckt wird.

Die Wahrheit dürfte tiefer liegen. In Wahrheit werden GRÜNE vor allem auch von gut situierten Menschen gewählt, die natürlich auch viele Autos haben.  So gibt man sich mit ein paar neuen StadtRADStationen zufrieden, einer Fahrradkoordinatorin, die den Spaten erstmal für eine neue Autostraße sticht, ebenso damit, in dieser Legislaturperiode neue Express-Velorouten lediglich zu prüfen und zu planen. Man gibt sich zufrieden mit einem eigenem Umweltsenator, der zum Verkehrskomplex, einem der größten Verursacher von CO² und Stickoxiden, die eben darum sehr wohl auch die Umweltbehörde anzugehen haben, so gut wie gar nichts sagt sowie mit einigen wenigen Projekten, wie z.B. der Fahrradstraße im Harvestehuder Weg, dem Osterstraßenumbau und anderem, die größtenteils unter SPD Alleinherrschaft angeschoben wurden. Jede Wette, dass „Radwege auf die Straßen“ genauso gut auch ohne GRÜNE zu haben wäre. Vorläufig gibt es nämlich schlicht überhaupt keine andere auch nur annähernd glaubwürdige Möglichkeit mehr, dem Autoverkehr auf diese Weise noch immer größtmöglichen Platz zu sichern.

Die Sache hat nur einen Haken: Es würde bedeuten, sich nicht mehr irgendwelchen Mehrheiten anbiedern zu können, es würde bedeuten, es nicht mehr allen gerecht machen zu wollen, weil es ohnehin nicht funktioniert, würde bedeuten, die Sache verantwortungsvoll in die Hand zu nehmen und noch viel mehr bedeuten, einen Plan zu haben. Einen Plan, den man nicht nur vor Wahlen aus taktischen Gründen an die große Glocke hängt, sondern erst recht nach Wahlen verteidigt oder gar weiterentwickelt. Einen, für den es sich zu kämpfen lohnt.
Nur deshalb gibt es übrigens „Osterstraße autofrei!“.

PS: Aus Oslo kommt gerade die Neuigkeit, dass die Ölpump-Landeshauptstadt den Autoverkehr aus der gesamten Innenstadt radikal verbannen will. In 5 Jahren sollen durch so eingesparte CO² Tonnen wieder Werte mit dem Stand von 1990 erreicht werden und somit um 50% reduziert sein. Der Anteil privater PKWs mit Verbrennungsantrieb soll bis 2030 um fast ein Drittel sinken. „Es gehe nicht an, KLIMApolitische Maßnahmen immer nur zu verschieben“, ist die Begründung von Oslos Oberbürgermeister Johansen.
DAS wäre mal ein Plan für Hamburg!

Aber dafür braucht es GRÜNE, die wirklich kämpfen, und keine, die kneifen und froh sein können, überhaupt noch zweistellig wiedergewählt zu werden.

Ein Gedanke zu „Schwache GRÜNE antworten auf offenen Brief“

  1. „Wir messen die Veränderung daran, wie es vorher war. Dass dabei Verbesserungen für Rad- und Fußverkehr zustande gekommen sind, ist wohl kaum zu bestreiten.“ (Klabunde)

    Die Rad- und Schutzstreifenpolitik ist in Radverkehrskreisen überaus umstritten. Ihr Kern ist eine gefährliche Exponierung des Radverkehrs in den Kfz-Verkehr hinein.
    In manchen Ländern ohne Alttagsradkultur und demzufolge mit äußerst geringen Radverkehrsanteilen gelten diese Streifen als Fortschritt gegenüber dem bis dato geltenden Mischverkehr (Frankreich, GB, USA etc). Sie werden jedoch auch dort zunehmend durch sogenannte „protected“ (baulich geschützte) oder „buffered“ (mit großzügigem Schutzraum zum Kfz-Verkehr hin versehene) Radspuren ersetzt – mit großem Erfolg für den Radverkehrsanteil.

    Während man diese Streifen in einer bisher radinfrastukturfreien Umgebung also für eine Übergangszeit als Verbesserung werten kann, sind sie bei uns eine Verschlechterung.

    Es gibt kein Land und keine Stadt auf dieser Erde, in der geschützte Radinfrastruktur durch Rad- oder Schutzstreifen ersetzt wird, außer in Deutschland.

    Eingeleitet wurde diese Politik 1997 vom damaligen Bundesverkehrsminister Wissmann (CDU, heute Vorsitze3nder des Automobilverbandes), damals wie heute oberster Kfz-Lobbyist.
    1997 war bereits abzusehen, wohin gute geschützte Radinfrastruktur den urbanen Verkehr führen würde: In Dänemark und den Niederlanden schnellten die Radverkehrszahlen in die Höhe.

    Wissmann fand den Weg: Die Zerstörung der Radinfra und der Zwang zum Fahrbahnverkehr würde die Verkehrswende von unten a la Dänemark und NL entscheidend aufhalten. Er änderte die StVO dahingehend, dass der Radverkehr obligatorisch auf der Fahrbahn stattzufinden habe.

    Die Grünen gehen diesen von Wissmann gezeigten Weg. Spätestens seit Magdeburg (5 DM /Liter Sprit) und dem darauf hin knapp entgangenen Rauswurf aus dem Bundestag stehen sie felsenfest an der Seite der Autolobby.

    Auch das faktische Radfahrverbot für Kinder tragen und organisieren sie mit. Kinder müssen ab 10 Jahren auf der Fahrbahn fahren, wenn es keine geschützte Radinfra gibt.

    Man hätte sich gewünscht, dass die Grünen aus der Pädophilie-Aufarbeitung gelernt hätten, die Bedürfnisse und den notwendigen Schutzraum der Kinder zumindest etwas ernster zu nehmen. Kinder sind bis zum Alter von 15 J. aufgrund der entwicklungsbedingt mangelnden Integration ihrer motorischen und kognitiven Fähigkeiten nicht in der Lage, am Fahrbahnverkehr teilzunehmen. Gleichzeitig sind sie für eine eigenständige Mobilität am meisten unter allen Bevölkerungsgruppen auf das Rad angewiesen.

    Vorteil Kfz-Lobby: Kinder geraten gar nicht erst in die Gefahr, radverkehrsmässig sozialisiert zu werden. Sie lernen auch dank Grüne schon früh, dass auch kurze Wege mit dem Kfz zurückgelegt werden. Dieses „Wissen“ in Form von Mobilitätskultur werden sie an ihre eigenen Kinder weitergeben. Nachhaltige Mobilitätserziehung a la Grüne.

    Der kindliche Mobilitätsradius in unseren Städten schmilzt ohnehin schneller als die Eisscholle im Klimawandel, da bräuchten nicht ausgerechnet die Grünen noch ein Bündel Brikett aufs Feuer legen.
    Dies geschieht auch zum erheblichen Nachteil der berufstätigen und alleinerziehenden Eltern, in deren enggestricktes Zeitkorsett, geht es nach der Radverkehrspolitik von GAL und SPD, nun auch noch das Chauffieren der Kinder hineingeschnürt werden muss. Familien- und umweltfreundliche Politik sieht anders aus.

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