Die letzte große Vorstellung der Umbaupläne vor Beginn der Bauarbeiten in der Osterstraße ist gelaufen, der Vorhang gefallen. Bereits ein viertes Mal wurden die EimsbüttelerInnen ins Hamburg Haus zur Informationsveranstaltung eingeladen, um diesmal den vorläufigen Endzustand der Planungen präsentiert zu bekommen. Ab September sollen dann die Bagger rollen.
Um es ganz kurz zu sagen:
JA, sicherlich geht es in die richtige Richtung.
Und NEIN, wirklich zuende gedacht ist auch dieser Plan nicht.
Die Straße wird schöner werden, keine Frage. Wahrscheinlich werden auch ein paar weniger Autos in Zukunft hier fahren. Der Fußgänger bekommt deutlich mehr Platz, die Räder müssen auf die Straße und die Hälfte der Parkplätze fällt weg.
Der adfc erwähnt in seiner Pressemitteilung zum letzten Stand der Osterstraßendinge [„Wie Fahrradfreundlich wird Hamburg?“, adfc Hamburg, 30. Juni 2015], dass ihn die Planungen sehr an die Shared Space Ideen aus dem Jahre 2008 erinnern würde. Shared Space wurde in Hamburg niemals umgesetzt und ist vor nicht allzulanger Zeit zu recht selbst aus den Konzeptschubladen wieder verbannt worden.
Einer, der es wissen muss, bringt es auf den Punkt: Jan Gehl, einer der gefragtesten Urbanisten der Welt, schreibt in seinem Buch „Städte für Menschen“ , dass eine Mischung des Verkehrs sicherlich möglich ist, nicht jedoch auf Basis einer Gleichwertigkeit aller VerkehrsteilnehmerInnen, wie es etwa das Shared Space Konzept voraussetzt. Fußgänger kämen allerdings auch gut mit Autoverkehr zurecht, wenn für alle Verkehrsbeteiligten klar geregelt sei, dass Fußgänger Priorität haben. Wo dieses nicht möglich sei, bliebe nur eine klare Trennung der Fußgänger vom übrigen Verkehr.
Fußgängern wird also großzügig mehr und vom übrigen Verkehr getrennter Raum zugebilligt, dafür hapert es aber mit der Gleichwertigkeit der VerkehrsteilnehmerInnen an anderen Stellen gewaltig. So müssen sich RadfahrerInnen immer dort, wo der dürftige Schutzstreifen nur noch in Piktogramme ohne Streifen jeglicher Art übergeht, wieder in den fließenden motorisierten Verkehr einfädeln. Das ganze sei ein Pilotprojekt und könne ja womöglich eine Vorstufe zu einer zuküntigen Fahrradstraße sein, so die mutige Aussage eines Planers. Auf der selben Veranstaltung klärt er aber auch darüber auf, dass Einbauten, wie sie auf den geriffelten Querungsmittelstreifen geplant sind, auch wieder abgebaut werden könnten, wenn sie dem Ausweichverkehr im Weg sein sollten. Wie zu sehen, wenn man die beiden Planungsversionen von Oktober 2014 und Juni 2015 vergleicht [Mediathek Stadtraumerneuerung Osterstraße], schien bereits einiges im Weg gewesen und inzwischen eliminiert zu sein. Vorrangschaltungen für Radler und auch für Fußgänger an den Ampeln bleiben Wunschkonzert. Tempo 30, welches nun endlich auf Teilen der Bundesstraße eingeführt wurde [„Auf der Bundesstraße gilt Tempo 30“, Eimsbütteler Nachrichten, 16. Juli 2015], bleibt trotz zahlreicher Interessierten- und Anwohnerwünsche an der so stark belebten, von Menschen allen Alters und sehr vielen Kindern frequentierten Osterstraße selbstverständlich ebenso in unerreichbarer Ferne.
Lebensqualität, saubere Luft und weniger Lärm scheinen für die Eimsbütteler Bezirksregierung Zustände zu sein, die auf keinen Fall irdischer Natur sein können. Selbst bei der Bürgerbeteiligung des Amtes wurden die Wünsche geäußert, Tempo 30 und sogar autofrei wenigstens ernsthaft zu prüfen. Auch wenn nur ein paar Leute ihr Stimmchen abgegeben haben, ist immerhin etwa die Hälfte für derartige Lösungen. Man staune: Obwohl die Hälfte der Parkplätze entfallen soll, hört man auf den Infoveranstaltungen nur recht wenig Einwände dagegen. All das wird allerdings genauso geflissentlich ignoriert wie die über 500 Unterschriften, die „Osterstraße autofrei!“ gesammelt hatte. Darüber gab es hier schon einmal einen Artikel, der die Pseudo-Bürgerbeteiligung unter die Lupe nimmt [„Bürgerbeteiligung nur Farce,“ Osterstraße autofrei!“, 6. Juli 2014 sowie dessen Kommentar samt Link dazu].
Wie in allen drei vorherigen Informationsveranstaltungen wird dagegen auf eine beinahe schon monströse Vorgeschichte der Osterstraßenplanungen hingewiesen und man lobt sich, dass man es sogar geschafft hat, mit 42 Schnittstellen zusammengearbeitet zu haben. Dafür ist das Ergebnis, abgesehen davon, dass optisch mächtig aufgebrezelt wird, mehr als peinlich.
New York hat das vor einigen Jahren viel simpler gemacht. Heute freuen sich die Menschen in Big Apple über einen überwiegend autofreien Times Square und einen Broadway, der in Teilen zur Fußgängerzone geworden ist. Die Ergebnisse und Erfahrungen, die hier gemacht wurden und werden, sind mehr als beeindruckend. „Learning from Broadway“ [Gehl Architects Blog, 18. Juni 2010] sollten sich die Eimsbütteler und Hamburger ChefplanerInnen lieber noch einmal ansehen, ebenso den Artikel „Leben zwischen den Häusern“ [Greenpeace Magazin, März 2015, Broadway erst kurz vor Artikelende!]. Denn bevor der Broadway umgebaut wurde, wurde er kurzerhand über einige Monate befristet für den Autoverkehr gesperrt und Stühle auf die Straße gestellt. Mehr brauchte es nicht, um einen Stein mächtig ins Rollen zu bringen.
In Eimsbüttel dagegen ticken die Uhren anders. Ursprungspläne werden verwässert, Autos dürfen Busse wieder überholen. Testphasen, günstig und einfach zu haben, sind hier ohnehin nicht nötig.
Nicht einmal für „Neuland STRASSE“ gibt es bisher eine Zusage. Dem Projekt, welches nur einen kleinen Teil der Osterstraße und diesen auch nur für drei Tage sperren lassen wollte, um neben einem Forum für nachhaltige Verkehrs- und Stadtplanung ganz einfach zu demonstrieren, was alles möglich wäre. Um es genau zu sagen, haben wir noch immer keine offizielle, endgültige Stellungnahme erhalten, nicht einmal ein Gesprächsangebot. Dass wir dabei auch noch als ein Pilotprojekt mit einem interessanten Stadtentwicklungsprojekt zusammenarbeiten (Stadtmacher), welches vom Bund gefördert wird, Schwamm drüber. Deutlicher kann man wohl nicht zum Ausdruck bringen, dass echtes Interesse an nachhaltigen Veränderungen nicht vorhanden ist.
Vielleicht denken wir von „Osterstraße autofrei!“ in der Tat zu visionär für die hiesigen PolitikerInnen. Mag sein, dass wir unserer Zeit schlicht zu weit vorraus sind und uns weitere 20, 30 Jahre mit dem Status quo abfinden müssen. Es gibt nur eines, was beim Osterstraßenumbau glasklar ist: Eimsbüttel hat sich wieder für das Auto entschieden. Das ist vor allem eines –
die menschenfeindlichste Lösung schlechthin.
Und 7 Millionen Euro teuer.
weitere Links:
„Einbahnstraße Osterstraße“, Eimsbütteler Nachrichten, 2. Juli 2015
„Stadtraumerneuerung Osterstraße“, offizielle Webseite der Stadt.