Hat Hamburg eine eigene StVO?

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Meistens berichte ich von Dingen, die eher unschön sind oder – die es eben noch sind, zumindest oftmals in der Freien und Autostadt Hamburg. Leider. Und dennoch gibt es natürlich auch viele schöne Dinge, die man sich gern auch mal ein wenig genauer ansehen sollte. Im Frühjahr war ich in Berlin unterwegs. Es ist erstaunlich, aber wenn man sich ein wenig mit dem Thema beschäftigt, nimmt man Stadt um einen herum gleich ganz anders wahr. Über vieles, gerade auch solches, was es in den meisten Fällen sicherlich auch schon eine ganze Zeit lang vorher gab, stolpert man buchstäblich. Vorher nie wahrgenommen, nun springt es einem direkt ins Auge. In diesem und dem nächsten Blogbeitrag gibt’s zur Abwechslung mal nur Schönes. Fast jedenfalls. Versprochen.

Mit der Kamera unterwegs war ich aus Zeitmangel nur im Prenzlauer Berg und auch hier nur im Kiez zwischen Prenzlauer Allee, Danziger- und Greifswalder Straße. Nur ein klitzekleiner Ausschnitt aus der Hauptstadt – trotzdem gibt es vieles zu entdecken.

Auffällig ist vor allem, wie versucht wird, Fußgängern das überqueren von Kreuzungen innerhalb von Tempo30 Zonen zu erleichtern. Da wird großflächig Asphalt weiß schraffiert, Fußgängerfurten werden mit großen Piktogrammen auf der Fahrbahn gekennzeichnet und fast an jeder Kreuzung wird der Kreuzungsbereich mit rotweissen Sperrbalken verengt, oftmals an allen vier Seiten. Wahrscheinlich wussten sich die Berliner irgendwann auch nicht mehr anders vor all dem parkenden Blech zu schützen, um auf „solche drastische Weise“ die Kreuzungen von diesem frei zu halten. Bewohner der Hamburger Altbauviertel können da nur neidisch werden. Dieses Vorgehen ließe sich ganz sicher übertragen auch auf Eppendorf, Winterhude, Barmbek, Eimsbüttel, Altona,…. Spontan fällt mir leider keine solche Ecke hier in der Gegend ein. Haubachstraße Ecke Harkortstieg gilt nicht, da es hier offensichtlich eher um Verkehrsführung als um Vermeidung von Wildparkern geht… Darf Hamburg das nicht? Auch nicht mit kürzeren, den engeren Verhältnissen angepassten rotweissen Sperrbalken? Müsste nicht gerade hier, wo ohnehin vieles deutlich enger ist als in Berlin und jeder freie Quadratmeter gnadenlos zugeparkt wird, schon längst genauso gehandelt werden?

In Hamburg gibt es ein paar wenige Zonen in denen Anwohnerparken gilt. In Berlin gilt das für weite Teile der Innenstadt. Auf einer Fläche von  knapp 3000 Hektar werden über 100.000 Parkplätze von der Stadt bewirtschaftet.
Bewohner müssen eine Jahresgebühr entrichten und dürfen weiter im Innenstadtbereich unterwegs sein – wenn sie eine grüne Plakette haben. Denn innerhalb des S-Bahn-Ringes ist seit 2008 zudem Umweltzone. Noch so eine Sache, die kein Hamburger Politiker richtig aussprechen kann. Alle anderen müssen draußen bleiben oder werden zur Kasse gebeten – und zwar nicht zu knapp, zwischen ein und drei Euro pro Stunde werden fällig. Man stelle sich das mal vor: Bismarckstraße, eine reine Wohnstraße, Hoheluft. Einen Tag als Nichtbewohner da seine Kiste stehen zu lassen schlägt dann mal eben mit etwa 20 Euro zu Buche.
Wieso geht das hier nicht? Sind wir nicht immer so stolz darauf, eine der reichsten Städte der Welt zu sein? Dann sollten wir das bisschen Kleingeld wohl über haben….

Das Interessanteste waren aber durchgehende Bürgersteige und Radwege. Oftmals überall dort, wo Tempo30 Zonen enden und die Nebenstraßen an die Hauptverkehrsstraßen stoßen. Fußgänger und Radfahrer können so recht sicher und bequem all die Querstraßen passieren und Autofahrer werden dadurch zusätzlich „genötigt“, sich hier besonders umsichtig zu verhalten. Außer vielleicht die eine oder andere (ohnehin gepflasterte) „Spielstraße“ aus den 80ern oder 90ern fällt mir absolut keine solche Lösung in Hamburg ein. Gibt’s das überhaupt irgendwo? Wenn ja, wo? Und wenn nein – warum nicht? Weil Hamburgs Autos tiefer liegen? Dabei geht der Trend mit den SUVs doch glatt in die andere Richtung.
Baut endlich diese „Hügel“ auch hier. Damit die ganzen Offroad-Piloten wenigstens  in der Stadt mal ein Feeling für wirklich raue Urbanität bekommen, die Anschaffung also nicht komplett umsonst war. Fahrspaß pur.

Tja, und dann gibt’s natürlich auch die Radwege. Ähnlich wie hier, Schutz- und Fahrradstreifen, meistens aber breiter und oftmals auch geschützt, also nicht mit den Autos auf der Fahrbahn.  Allerdings, wo wir Hamburger uns neuerdings und meistens auch alterdings recht sutje nur in leichte Kurven legen müssen (naja…), um Laternenpfosten und ähnlichem auszuweichen,  müssen die Hauptstädter des öfteren teils artistische Meisterleistungen absolvieren, um dem verrückten Zickzack der Radwege folgen zu können. Dafür habe ich Kreuzungen gesehen, auf denen Radwege farblich hervorgehoben sind. Berlin ist nicht nur gefühlt viel weiter als wir hier an der Elbe. Und es genügt ihnen nicht.
Diese Stadt rockt die Radpolitik mit ihrem Radentscheid und treibt die Berliner Politiker munter vor sich her. Weil viele eben längst begriffen haben, was nicht nur unseren Pfeffersäcken viel schwerer fällt: Es muss sich etwas ändern – und zwar schnell.

Zum Schluss noch eine andere Kleinigkeit:
Die neue Osterstraße wurde nominiert für den Deutschen Verkehrsplanungspreis 2016. Das ist schön und es freut mich auch für die Experten von ARGUS, die es geschafft haben, unter die drei Nominierten zu kommen. Herzlichen Glückwunsch!
Neben der Osterstraße stehen noch ein Projekt in Kassel (Hessen) und die Ortsdurchfahrt Rudersberg in Baden Württemberg zur Wahl. Vor allem die neue Straße in Rudersberg finde ich wirklich mutig. Und toll umgesetzt. Etwa so hätte es auch auf der neuen Osterstraße sein können, wenn wir uns mehr getraut hätten. Darum drücke ich den Rudersbergern die Daumen, diesen Preis auch zu gewinnen. Wenn man sich hier die vorher/nachher Bilder anschaut und aufmerksam hinsieht, kann man noch etwas interessantes finden: Zebras!

Nagelneue Zebrastreifen auf geschwindigkeitsreduzierten Straßen (Tempo30), die zudem nicht einmal asphaltiert sind!!!
Wo sie in Hamburg mehr und mehr abgeschafft werden sollen und nicht nur Schüler und Eltern oftmals richtig kämpfen müssen, um den einen oder anderen zu erhalten, scheint Rudersberg gar kein Problem damit zu haben.

Am Ende bleibt eigentlich nur eine Frage:
Hat Hamburg eine andere StVO als alle anderen???

Ein Gedanke zu „Hat Hamburg eine eigene StVO?“

  1. Vielleicht wissen die Berliner schon, was in der „gelockerten“ Neufassung der StVO stehen wird? Ist doch so oder so nicht verständlich, warum Straßen mit bestehenden Zebrastreifen und Ampeln nicht trotzdem Tempo 30 erhalten dürfen. Eine alleinige Rechts-vor-links-Regelung ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Hauptsache, es wird langsamer gefahren, egal ob auf eine Lichtanlage zu oder einen Kreisverkehr oder oder…

    Heute wieder hautnah erlebt wie ein PKW über die rote Fußgängerampel „bretterte“, an der ich stand… In Hamburg muss sich noch einiges ändern.

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