Niemand bestreitet mehr den unaufhaltsamen Klimawandel. Die Ergebnisse, die der Weltklimarat (IPCC) in seinem 5. und letzten Sachstandsbericht im April 2014 vorstellte, sind alarmierend. „Schluss mit Kohle!“ lautet eine der wichtigsten Forderungen des IPCC’s. Im dritten Teilbericht geht es dabei um die Möglichkeiten, die helfen, den Effekt des Klimawandels zu mindern. Hierzu hat das Bundesumweltministerium eine deutschsprachige, kompakte Zusammenfassung [PDF Download, 150 KB] erstellt. Auf Seite 3 dieser Zusammenfassung ist folgendes zu lesen:
„Im Verkehrssektor können bis zum Jahr 2050 bis zu 20 bis 50% der Emissionen im Vergleich zu einem Business-as-usual Szenario vermieden werden. Die Steigerung der Energieeffizienz von Fahrzeugen oder die Einführung von kohlenstoffarmen Treibstoffen, Änderungen des Nutzungsverhaltens und eine nachhaltige Infrastruktur- und Städteplanung sind Beispiele für erfolgreiche Minderungsstrategien.“
Es sind nur wenige Sekunden, die es dauert, um sich bei Google Earth aus dem All heraus mitten ins Herz von Eimsbüttel und auf die Osterstraße hinein zu zoomen. Hier – genau wie überall sonst auch – kann und muss Klimaschutz gemacht werden. Es hat keinen Sinn, selbst nichts zu tun und dabei auf andere zu verweisen. Die Osterstraße trägt mit ca. 15.000 Pkw’s, die diese Straße heute tagtäglich befahren, nicht unerheblich zur Luft- und Lärmverschmutzung in Eimsbüttel bei. Unser Vorteil nun ist, dass wir es tatsächlich in der Hand haben, Zustände zu ändern. Weil die Osterstraße sowieso umgebaut wird. Wenn schon, dann auch richtig!
„Finde die Idee sehr gut, denn nur durch solche für manche vielleicht radikal erscheinende Maßnahmen kann auch Hamburg lernen wie Lebensqualität in Ballungsräumen entsteht.“
Treffender als eine Unterstützerin dieses Projekts es formuliert hat, könnte ich es auch kaum. Denn – genau das ist der Punkt, um den es geht. Nur darum, um nichts anderes.
Sogar aus der EU Kommission kommen da – man staune – recht interessante Inputs zum Thema. „Reclaiming city streets for people“ [5,9 MB, PDF Download] heißt ein sehr aufschlussreiches Handbuch, welches der Brüsseler Apparat erzeugt hat. Auch hier geht es ganz eindeutig nur um eines: Den Autoverkehr drastisch zu reduzieren und mehr Platz für alle anderen zu machen, gerade in urbanen Zentren.
Jetzt ein zweites Mal zurück zur Osterstraße:
Es scheint in der Fachwelt schon recht eindeutige Empfehlungen zu geben, wohin die Reise gehen sollte. Wenn irgendwo autofreie Straßen eingerichtet werden, um eben genau diese beabsichtigten Vorteile – das Einsparen von CO², Lärm, Feinstaub – zu erzielen bzw. diese durch spätere gezwungene Gewohnheitsänderungen auszulösen, dann ja wohl da, wo auch alle sind: An belebten, zentralen Straßen, die tatsächliche Mittelpunkte von Quartieren und eben keine wichtigen verkehrsinfrastrukturmäßigen Zubringer- oder Ausfallstraßen sind. Wo bitte sonst soll man denn den Autoverkehr verdrängen, wenn nicht da, wo er geballt auftritt? In den Nebenstraßen ist das sicher nicht der Fall – wohl aber auf der Osterstraße.
“Grüne, gerechte, wachsende Stadt am Wasser – Perspektiven der Stadtentwicklung” heißt ein neues Leitthema der Stadtentwicklungsbehörde in Hamburg. Auch hier verrät der Name, dass einiges besser werden sollte. Dennoch will Hamburg autofreie Straßen offenbar in der heutigen Zeit nicht weiter unterstützen, schließlich werden sie nicht einmal erwähnt. Kopenhagen als Vorbild immer gerne – aber quasi bitteschön angepasst an unsere Autofahrerbedürfnisse. Radwege, wenn sie passen – wenn nicht, enden die Linien oder sind gestrichelt, so dass bei Gegenverkehr auch auf die Radwege ausgewichen werden kann. Von ein- und ausparkenden Fahrzeugen mal ganz schweigen. Radfahrer, Fußgänger und Anwohner, die auch mal Platz haben wollen, einmal klar zu bevorteilen, wenn es um bestehende Straßen geht und nicht um Spaziermeilen am Elbrand, scheint undenkbares Tabu zu sein.
Hamburg, Umwelthauptstadt 2011. Wie kann es sein, dass solche von vielen Seiten empfohlenen Vorschläge, wie ganz konkret und vor Ort im öffentlichen Raum deutliche Verbesserungen zu erzielen wären, oftmals nicht mal mehr angedacht werden? Weil man den Bedenken ein paar Ladeninhaber und vielleicht auch einiger Ich-finde-keinen-Parkplatz-mehr-Anwohner mehr Gewicht beimisst als vernünftige, grüne, gerechtere und zukunftsfähige Stadtentwicklung zu betreiben?
Jetzt hat Eimsbüttel die Chance, mit dem Umbau der Osterstraße einen wirklich großen Wurf zu landen. Wahrscheinlich sogar bietet genau diese Straße die besten Möglichkeiten – nicht nur im Stadtteil, sondern im ganzen Bezirk. Wenn stattdessen auch hinterher 15.000 Autos durch die Straße knattern kann man leider nur sagen:
Eimsbüttel – setzen: Sechs!